Im Gästebuch habe ich heute folgenden
Kommentar von „Anonym“ erhalten:
Hallo, ich habe deinen Blog wie ein Buch gelesen.
Einerseits ist es sehr interessant, andererseits habe ich viele Widersprüche
entdeckt.
Da heißt es, ich fühle und denke wie eine Frau. Aber
eine richtige Frau verhält sich doch ganz anders als du. Auf den Fotos mit den
anderen umoperierten Männern seht ihr aus, wie Männer, die sich als Frauen
verkleidet haben und zum Fasching gehen. Richtige Frauen geben sich viel
natürlicher und kleiden sich nicht so auffällig "tuntig". Wenn man
mit allem drum und dran wie eine Frau fühlt, sollte man auch einen Mann lieben.
Wie ist denn das mit dir? Dich sieht man nur mit "umoperierten"
Männern. Wieso ist deine Frau noch deine Frau und nicht deine Freundin? Wie
sagt denn deine Frau? Mein Mann(der sie ja letztendlich doch verlassen hat,
denn sie hat keinen Mann mehr)oder sagt sie zu dir meine Freundin? Du siehst,
für Außenstehende gibt es da noch viele offene Fragen.
Ich möchte meine Antwort
hier mal in einem eigenen Post schreiben, da sie vielleicht von allgemeinem
Interesse ist und sonst kaum Beachtung findet.
Die Widersprüche, die Du
meinst, sind wahrscheinlich keine, sondern Du kannst Dir einfach manche Sachen
nicht erklären. Es ist auch schwer, vieles zu verstehen, wenn man selbst nicht
betroffen ist. Selbst für mich ist es nicht einfach.
Transsexuell zu sein, heißt
nicht nur einfach mal in der Rolle des anderen Geschlechts zu leben.
Transsexualität ist angeboren. Transsexuelle sind nicht zu verwechseln mit
Transvestiten oder DWT, die es schön finden, sich gelegentlich in eine Frau zu
verwandeln.
Die genauen Ursachen sind
noch nicht erforscht. Eine Theorie geht davon aus, dass in ca. der 7.
Schwangerschaftswoche (dort wird das Geschlecht festgelegt – vorher ist alles
gleich) eine Hormonstörung bei der Mutter bewirkt, dass sich ein männlicher
Körper entwickelt, aber ein weibliches Gehirn, oder umgekehrt. Diese Menschen
leben dann logischerweise erst einmal in dem von der Natur ihnen zugedachtes
körperliches Geschlecht. Irgendwann merken sie, die einen sehr früh mit ein
paar Jahren, die anderen etwas später, dass ihre Gefühle nicht zum Körper
passen. Das wird meist erst mal versucht, zu verdrängen. Auf Dauer klappt das
aber nicht wirklich. Für die Betroffenen ist das eine hohe Belastung, zum einen
versuchen sie ihrer Rolle gerecht zu werden, was einige ihr ganzes Leben
schaffen, und zum anderen möchten sie gerne ihre Femininität ausleben. Viele
wissen zu dem Zeitpunkt noch nicht mal, dass sie transident sind.
Dazu zu stehen ist ein
schwerer Schritt, der das ganze Leben verändert. Die Angst, dass alle sich abwenden,
dass man die Arbeit verliert, auf der Straße schief angesehen wird usw. steht
dem Wunsch gegenüber, endlich entsprechend seinen eigenen Gefühlen leben zu
können. Dazu kommt, dass man ja von der Gesellschaft suggeriert bekommt, man
sei ein Mann, weil man so aussieht, was einen unsicher macht.
Transsexualität ist nicht
heilbar. Durch psychologische Maßnahmen erreicht man nichts. Früher hat man es
versucht, heute weiß man, dass es nicht geht. Bleibt also nur, den Körper dem
Geist anzupassen.
Natürlich muss dazu die
Diagnose „Transidentität“ zweifelsfrei feststehen. Da aber das durch
Untersuchungen nicht so einfach festgestellt werden kann, wird versucht das
durch umfangreiche Ausschlussdiagnosen festzustellen.
Du schreibst:
„… Aber eine richtige Frau verhält sich doch ganz
anders als du. …“
Vergiss bitte nicht, ich
habe Jahrzehnte versucht, ein Mann zu sein. Es konnte einfach nicht sein, dass ich eine Frau bin, habe
ich gemeint und meine Empfindungen unterdrückt. Da kann man nicht einfach einen
Schalter umlegen.
„… Auf den Fotos mit den anderen umoperierten Männern
seht ihr aus, wie Männer, die sich als Frauen verkleidet haben und zum Fasching
gehen. …“
Wir sind keine „umoperierten
Männer“, sondern Frauen, die im falschen Körper geboren sind und nun genau
diesen Körper unserem gefühlten Geschlecht anpassen wollen oder haben.
Leider hat bei vielen von
uns das Testosteron über viele Jahre seine Spuren hinterlassen. Die lassen sich
nicht so einfach auswischen. Die genitalangleichende Operation ist da nur Eines
unter vielen, was angepasst werden muss. Das ist natürlich von Fall zu Fall
unterschiedlich ausgeprägt. Im Einzelnen sind das:
- der Hormonhaushalt –
Korrektur durch Antihormone (bis zur GaOP) und gegengeschlechtliche Hormone;
- der Bartwuchs – geht in der
Regel nicht durch Hormoneinnahme zurück. Beseitigung durch IPL, Laser,
Nadelepilation oder ähnliche Verfahren.
- Körperbehaarung – wenn man
Glück hat, Zurückgang durch gegengeschlechtliche Hormone, sonst Beseitigung wie
beim Bart;
- Brust – wächst bei einigen
durch Hormoneinnahme ausreichend, sonst Implantate;
- Körperfettverteilung –
ändert sich, je nach Veranlagung, nur langsam;
- Knochenbau – ändert sich
kaum. Da muss man einfach Glück haben;
- Kehlkopf – kann bei Bedarf
abgeschliffen werden;
- Stimme – ändert sich auch
durch weibliche Hormone kaum (umgekehrt, bei FzM ja). Je nach Notwendigkeit und
Wunsch Stimmtraining (Logopäde) oder OP;
- Gesicht – FFS möglich, aber
nicht immer notwendig oder gewünscht, auch teuer;
- Haare – da hilft, besonders
bei älteren, nur noch eine Perücke.
Das alles braucht seine
Zeit. Im allgemeinen gilt, um so jünger, so besser.
„… Richtige Frauen geben sich viel natürlicher und
kleiden sich nicht so auffällig "tuntig". …“
Viele Jahre war es uns
verwehrt, uns so zu kleiden, wie wir es wollten. Plötzlich befinden wir uns in
so einer Art Pubertät. Da muss man schon sehr aufpassen, dass man nicht zu
Übertreibungen neigt.
„… Wenn man mit allem drum und dran wie eine Frau
fühlt, sollte man auch einen Mann lieben. …“
Warum? Es gibt auch
lesbische Frauen.
Meine Feststellung ist, dass
junge Transsexuelle meist gegengeschlechtlich lieben, ältere eher
gleichgeschlechtlich. Daraus folgere ich, dass die sexuelle Orientierung nicht
ausschließlich, aber zum Teil durch die Gesellschaft geprägt wird.
„… Wie ist denn das mit dir? Dich sieht man nur mit
"umoperierten" Männern. …“
Ich bin jetzt sozusagen
lesbisch. Dass man mich im richtigen Leben nur mit Transsexuellen sieht, ist
eher nicht so. Im Blog veröffentliche ich nur kaum solche Bilder.
„… Wieso ist deine Frau noch deine Frau und nicht
deine Freundin? …“
Für sie war und ist das
Alles nicht einfach, da sie ja nicht lesbisch ist. Sie hat nun mal einen Mann
geheiratet. Aber sie liebt den Menschen, der ich nun mal bin. Ich rechne ihr
das hoch an, dass sie nicht „das Handtuch geworfen“ hat.
„… Wie sagt denn deine Frau? Mein Mann(der sie ja letztendlich
doch verlassen hat, denn sie hat keinen Mann mehr)oder sagt sie zu dir meine
Freundin? …“
Meist sagt sie „Andrea“, ab
und zu verspricht sie sich mal und sagt „Wolfgang“ oder „mein Mann“. „Meine Frau“
oder „meine Freundin“ sagt Karola nie.
Ich hoffe, dass meine
Erläuterungen etwas „Licht“ in die Sache gebracht hat.
Eure Andrea