Der
Europäische Gerichtshof fällte gestern ein Urteil in derRechtssache C-528/13.
Ein
Mann aus Frankreich hatte geklagt, weil
er
im April 2009 eine Blutspende abgeben wollte und
ihm das aber
mit der Begründung abgelehnt wurde, dass er eine sexuelle Beziehung
zu einem Mann hätte
und er damit von einer Blutspende ausgeschlossen sei.
In
den Meldungen der großen Zeitungen und Nachrichtenagenturen wird
dieses Urteil mit Schlagzeilen versehen, die den Eindruck machen,
einen Nichtzulassung von homosexuellen Menschen zur Blutspende sei
rechtens.
So
kommentiert „Die Süddeutsche“: „Spendeverbot
- Darum
dürfen Schwule von der Blutspende ausgeschlossen werden
- Der Europäische Gerichtshof hat das Blutspendeverbot für
Homosexuelle für rechtens erklärt - und damit ein medizinisch
sinnvolles Urteil gefällt. Die Bereitschaft zur Blutspende ist
ehrenwert, aber kein unverzichtbares Menschenrecht.“
Die
„tagesschau.de“ meldet: „Blutspende-Verbot
für Schwule
- Homosexuelle Männer dürfen kein Blut spenden - das gilt auch in
Deutschland. Grund: Laut EU-Recht sind Personen mit hohem Risiko für
Infektionskrankheiten wie HIV ausgeschlossen. tagesschau.de
beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Thema.“
Die
„Frankfurter Allgemeine“ schreibt: „Schwule
Männer dürfen von Blutspende ausgeschlossen werden
- Das Blutspende-Verbot für homosexuelle Männer kann laut einem
Urteil des Europäischen Gerichtshofs rechtens sein. In der
Begründung bleiben die Ausführungen des Gerichts äußerst vage.“
Der
„Stern“ berichtet: „Homosexuelle
Männer dürfen weiter ausgeschlossen werden
- Bislang durften homosexuelle Männer kein Blut spenden. Der
Europäische Gerichtshof entschied nun, das generelle Verbot
aufzuheben, Schwule dürfen aber weiter ausgeschlossen werden.“
Man
könnte hier noch mehr aufzählen. In den weiteren Ausführungen wird
zwar teilweise die Schlagzeile wieder etwas relativiert, aber
letztendlich bleibt die Aussage, Homosexuellen bleibt eine Blutspende
laut Urteil des EuGH verwehrt.
Was
hat aber der Europäische Gerichtshof nun wirklich beschlossen?
Nachzulesen
ist das in der Pressemitteilung Nr. 46/15 des Gerichtshofs der
Europäischen Union und im Urteil selbst natürlich.
Da
wird zwar festgestellt, dass das Risiko einer Übertragung von
Infektionskrankheiten auf die Empfänger des Blutes mit allen Mittel
zu minimieren verpflichtend ist (und das ist gut so), aber auch, dass
ein genereller Ausschluss von Risikogruppen nicht auf
diskriminierende Weise erfolgen und nur auf das notwendige Maß
beschränkt sein darf. Vor einem eventuellen Ausschluss ist zu
prüfen, ob es nicht andere wirksame Methoden, Tests und Verfahren
gibt, diesen Ausschluss zu vermeiden oder zu minimieren.
Was
bedeutet das, insbesondere für Deutschland?
In
Deutschland sind bestimmte Risikogruppen von der Blutspende
lebenslang ausgenommen. Nach diesem Urteil ist das ein klarer Verstoß
nach Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union – eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung, weil
hier allein die Zugehörigkeit zu einer Gruppe als
Ausschlusskriterium gilt und nicht das sexuelle Verhalten.
Zitat
aus Urteil:
„Insoweit obliegt es dem vorlegenden Gericht insbesondere zu prüfen, ob möglicherweise anhand des Fragebogens und der persönlichen Befragung durch einen qualifizierten Angehörigen eines Gesundheitsberufs nach Anhang II Teil B Nr. 2 der Richtlinie 2004/33 die Verhaltensweisen genauer identifiziert werden können, die mit einem Gesundheitsrisiko für die Empfänger verbunden sind, um eine weniger einschränkende Kontraindikation festzulegen als eine dauerhafte für alle Männer, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten.
Wie der Generalanwalt in Nr. 61 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, muss das vorlegende Gericht in diesem Sinne insbesondere beurteilen, ob es durch gezielte Fragen zum seit der letzten sexuellen Beziehung verstrichenen Zeitraum im Verhältnis zur Dauer des „diagnostischen Fensters“, zur Beständigkeit der Beziehung der betreffenden Person oder zum Schutz in der sexuellen Beziehung möglich wäre, die Höhe des Risikos zu bewerten, das individuell durch den jeweiligen Spender aufgrund seines eigenen Sexualverhaltens besteht.“
Richtig
wäre, nach den sexuellen Verhaltensweisen ein Ausschluss
festzulegen. So wäre z. B. ein Ausschlusskriterium
Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern. Aber auch nur für eine
bestimmte Zeit rückwirkend, denn die Latenzzeit beträgt ja nur auch
eine gewisse Zeit. Und diese Verhaltensweisen sind bei allen
Blutspendern abzufragen, denn das Risiko besteht nicht etwa, nur weil
jemand einer Gruppe angehört. Ein Homosexueller, der keinen
Geschlechtsverkehr oder einen mit einem festen Partner hat, stellt
kaum ein höheres Risiko dar, als ein heterosexueller Mensch mit
gleichem Verhalten.
Umgekehrt
stellt ein Familienvater, der laufend ungeschützten außerehelichen
Sex mit wechselnden
Partnerinnen hat, ein hohes Risiko dar, genau wie seine Frau, die
vielleicht noch nicht einmal weiß, dass sie gefährdet
ist.
Wenn
hier das Argument gebraucht wird, dass das sexuelle Verhalten
Privatsache ist und von dem man keine Auskunft verlangen darf, weil
es keinem was angeht, der liegt falsch. Denn
dann
dürfte
auch nicht von einem homosexuellen Menschen verlangt werden, dass er
das angibt, besonders deshalb, weil mit dieser Bekenntnis sofort
angenommen wird, laufend Sex mit wechselnden Partnern zu haben.
Weiterhin,
wer kann nachprüfen, ob jemand die Wahrheit sagt? Die ehrlichen sind
hier einfach die „Dummen“.
Hier
hatte ich schon mal geschrieben, dass auch Transsexuelle von der
Blutspende ausgenommen sind. Besonders in den Kommentaren dazu wird
klar, dass die Zugehörigkeit zu einer Gruppe für die meisten ein
Ausschlusskriterium ist, unabhängig vom persönlichen Verhalten.
Dieses Urteil sagt aber eindeutig aus, dass das eine unzulässige
Diskriminierung darstellt:
„Nr. 2.1 des Anhangs III der Richtlinie 2004/33/EG der Kommission vom 22. März 2004 zur Durchführung der Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich bestimmter technischer Anforderungen für Blut und Blutbestandteile ist dahin auszulegen, dass das in dieser Bestimmung enthaltene Kriterium für einen Ausschluss von der Blutspende, nähmlich das Sexualverhalten, den Fall erfasst, dass ein Mitgliedstaat im Hinblick auf die in diesem herrschende Situation eine dauerhafte Kontraindikation bei Blutspenden für Männer vorsieht, die sexuelle Beziehungen zu Männern hatten, wenn aufgrund der derzeitigen medizinischen, wissenschaftlichen und epidemiologischen Erkenntnisse und Daten feststeht, dass ein solches Sexualverhalten für diese Personen ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt und dass es unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keine wirksamen Techniken zum Nachweis dieser Infektionskrankheiten oder mangels solcher Techniken weniger belastende Methoden als eine solche Kontraindikation gibt, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau der Empfänger sicherzustellen. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen in dem betreffenden Mitgliedstaat erfüllt sind.“Eure Andrea