Mein wahres Leben: Vor dem Outing

Vor dem Outing

Mit 35 Jahren - 
das Testosteron hat schon
seine Spuren hinterlassen
Ab 1979 habe ich dann in Halberstadt gearbeitet und hatte mit meiner Frau zusammen eine Wohnung. Dann gab es auch wieder Möglichkeiten, Damenwäsche anzuziehen. Wenn ich alleine zu Hause war, konnte ich einfach nicht widerstehen, BHs, Röcke und Kleider von meiner Frau anzuziehen und dann war das unheimlich schöne Gefühl wieder da. Am liebsten hätte ich es ihr gesagt, aber meine Angst vor den Folgen war zu groß. Außerdem dachte ich, ich bin nicht ganz normal und habe mir öfters vorgenommen, es in Zukunft nicht mehr zu tun. Das ist mir aber wiederum nicht gelungen. In diesen Jahren habe ich wieder öfter darüber nachgedacht, ob ich innerlich eine Frau bin, konnte aber keine Antwort finden. Dass es noch andere Menschen gibt, denen es auch so geht wie mir, wusste ich damals noch nicht. Auch solche Begriffe wie DWT, Transgender usw. waren mir fremd.

Von Mitte 1998 bis Ende 1999 habe ich in Frankfurt gearbeitet und hatte dort alleine eine Zweitwohnung. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, auch mal länger „Frau“ zu sein. Ich kaufte mir entsprechende Kleidung. Die Unterwäsche habe ich in Kaufhäusern in Selbstbedienung gekauft. Bei den anderen Sachen, wie z. B. Kleid habe ich angegeben, es soll ein Geschenk für meine Frau sein. Die Unterwäsche, inklusive BH, habe ich auch teilweise zur Arbeit angezogen.

Als ich wieder in Halberstadt gearbeitet habe, habe ich die Sachen weggeworfen. Ein paar Sachen habe ich meiner Frau geschenkt, mit der Ausrede, ich habe sie gefunden.
In den nächsten Jahren habe ich wieder öfters heimlich die Sachen meiner Frau anprobiert und oft drüber nachgedacht. Ich habe aber nicht den Mut aufgebracht, was zu sagen.
Ab und zu habe ich von meiner Frau aussortierte Unterwäsche heimlich aus dem Altkleidersack genommen und angezogen. Das hatte den Vorteil, dass diese ja dann nicht mehr vermisst werden konnte. Unter weiten Hemden habe ich dann auch BH’s zur Arbeit angezogen. Der Nachteil war nur, dass das nicht die besten Stücke waren und ich auch keine Gelegenheit zum Waschen fand.

Da mich das alles nicht so richtig zufrieden gestellt hatte und ich einfach weiblicher werden wollte, überlegte ich mir, wie ich das tun könnte. Am liebsten hätte ich mir im Internet Hormone bestellt. Das konnte ich aber nicht, ohne dass es meine Frau mitbekommt. Außerdem wusste ich, dass die unkontrollierte Einnahme auch gefährlich sein kann, obwohl mir manchmal selbst dieses Risiko egal war. Meine Gefühle, eine Frau sein zu wollen, waren teilweise so stark, dass ich einen möglichen Tod sogar in Kauf genommen hätte, nur um eine Frau zu sein. Aber meine Angst vorm Outing und deren Folgen waren noch größer.
Da kam mir 2007 die Idee Phytoöstrogene zu nehmen. Die gibt es in zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln gegen Wechseljahresbeschwerden. Da es die rezeptfrei gibt, kann das ja nicht so gefährlich sein, dachte ich mir. Am Anfang habe ich mit der empfohlenen Dosis angefangen, habe sie, als ich keine Nebenwirkungen festgestellt habe, auf bis zu 300 mg Isoflavone gesteigert. Über die Jahre ist aus einer völlig flachen Brust so immerhin eine knappe „A“ geworden. Irgendwann habe ich sie sogar offiziell vor meiner Frau eingenommen, mit der Begründung, sie beugen Prostatakrebs vor. Mitte Januar 2011 habe ich aufgehört sie zu nehmen, um bei eventuellen Untersuchungen keine Verfälschungen von Werten zu bekommen.

Mit 50 Jahren, das Bild
gefällt mir überhaupt nicht,
gar nicht vorzustellen,
ich hätte so weitergelebt
Anfang 2008 wollte meine Frau beim Zubettgehen unbedingt das Fenster auflassen, aber mir war kalt (Ich habe damals immer nackt geschlafen und besaß keinen Schlafanzug). Da machte sie mir den Vorschlag, ein Nachthemd von ihr anzuziehen. Ich stimmte zu. Das war der „Auslöser“ meines langsamen Outings. Seit dem Tag schlafe ich nur noch in Nachthemden. Daraufhin schenkte meine Frau mir von ihr Nachthemden. Das waren aber nicht genug für mich. Nach und nach bestellte ich mit ihr neue Damennachthemden und Nachtkleider für mich, die von mal zu mal immer femininer wurden. Ich war erstaunt, wie einfach das war.

Etwa zur gleichen Zeit wollte meine Frau mich überzeugen, T-Shirts anzuziehen. Ich habe nur Hemden angezogen (Ich habe damals ca. 14 kg mehr gewogen), um meinen Bauch zu verdecken. Daraufhin habe ich ihr vorgeschlagen, dass nur zu machen, wenn ich Figur formende Unterwäsche anziehen darf. Da es bei Männerwäsche da „leider!“ nichts gibt, durfte ich mir entsprechende Damen-Bodys, -Hemden und -Höschen kaufen.
Die ersten Bodys waren noch einfach, aber schon nach kurzer Zeit kaufte ich mit meiner Frau zusammen welche mit eingearbeiteten Bügel-BH und Spitze, die ich dann auch manchmal zur Arbeit trug. Man konnte nur nicht jedes Oberteil tragen, da sich teilweise der BH durchzeichnete.
Auch das war wieder ganz einfach und ohne Fragen, die ich jetzt spätestens erwartet und vielleicht sogar gewünscht hätte. Aber meine Frau tolerierte es.

Im Internet bestellte ich mehrere Korsetts. Meiner Frau erzählte ich, dass ich damit meinen „Bauch verstecken“ möchte. In Wahrheit wollte ich aber eine femininere Figur haben.

Die ersten Shirts, die ich kaufte, waren noch aus der Herrenabteilung. Aber so nach und nach habe ich mir Damenshirts und Pullover bestellt. Dabei habe ich darauf geachtet, dass sie nicht zu feminin sind, da ich sie ja als Mann auf der Straße getragen habe.

Da das alles gut klappte, wurde ich immer mutiger und bestellte ab Frühjahr 2009 mir auch Kleider. Am Anfang waren es einfache Polo- oder Shirtkleider, die ich dann auch mal in der Wohnung im Beisein meiner Frau angezogen habe. Ich weiß nicht, warum sie das tolerierte. Da ich mich ja noch nicht geoutet hatte, vermute ich, sie hielt das für eine Art Fetisch.
Zum Beispiel im Sommer 2009, an einem warmen Abend, habe ich ein blaues Polokleid angezogen und mit meiner Frau auf dem Balkon Karten gespielt. Plötzlich und unerwartet stand unser Sohn neben uns. Ich habe natürlich einen Schreck bekommen und habe versucht, in Gedanken schon eine Ausrede zu finden. Das war aber nicht notwendig, da keine Reaktion darauf erfolgte. Wahrscheinlich hat er gedacht, das ist ein Poloshirt und ich habe nur die Hose ausgezogen, weil es mir zu warm war.
Ich habe mir sogar in der Garage heimlich ein Jeanskleid angezogen als wir zusammen mit unseren Hunden in den Wald gefahren sind. Als meine Frau das sah, sagte sie sinngemäß nur "Jetzt hakt's wohl aus!" und ist aber mit mir so spazieren gefahren.

Im Herbst 2009 kamen dann auch noch die eigenen Strumpfhosen dazu, zuerst die dickeren. Von deren Notwendigkeit meine Frau zu überzeugen war ganz einfach, da sie ja eine wärmende Funktion haben und bequem sind. Später, ganz schleichend, besorgte ich mir auch Feinstrumpfhosen, die aber auch problemlos „durch die Wäsche gelaufen“ sind.

Im Prinzip habe ich fast alles gehabt, was eine Frau so braucht, Unterwäsche und Nachtzeug, Shirts und Hosen teilweise.

Ich merkte aber dann, das mir das teilweise tragen von Damensachen nicht ausreicht. Es gab mir zwar ein schönes Gefühl, ein bisschen so aussehen, wie ich mich fühlte, aber eine Frau war ich dadurch noch lange nicht.

3 Kommentare:

  1. Hallo Süsse, klingt gut was du da schreibst. Wenn man(n) zur Frau wird ist es, für Menschen wie dich und viele andere das schönste auf der Welt.

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  2. das kommt mir alles sehr bekannt vor in meinen eignen leben und ich fange jetzt auch an mich nicht wieder zu verstecken ,kann und will nicht mehr.finde es gut alles so zu veröffentlichen .lg th

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    1. Ja, irgendwann kommt der Punkt, da kann man es nicht mehr verheimlichen.

      LG Andrea

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